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Überarbeitung des Sanktionenrechts (Ersatzfreiheitsstrafen/Unterbringung Entziehungsanstalt)

Das Gesetz wurde im Bundesgesetzblatt verkündet, das Gesetzgebungsverfahren ist abgeschlossen.
Basics
Offizieller Titel:Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts - Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Initiator:Bundesministerium für Justiz
Status:Im Gesetzblatt verkündet (zum Gesetzblatt)
Letzte Änderung:02.08.2023
Drucksache:20/5913 (PDF-Download)
Beschlussempfehlung:20/7026 (PDF-Download)
Gesetztyp:Einspruchsgesetz
Beschluss des Bundesrats:Zugestimmt
Trojanercheck:
Zusammenfassung

Diese Zusammenfassung wurde mit GPT4 auf Basis des Gesetzentwurfs erstellt.

Basisinformationen 
Das wesentliche Ziel des Gesetzentwurfs ist es, das Sanktionenrecht des Strafgesetzbuches (StGB) in Deutschland an aktuelle Entwicklungen anzupassen und dabei Resozialisierung und Prävention sowie den Schutz vor Diskriminierungen zu stärken. Der Entwurf befasst sich konkret mit den Bereichen Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Federführend für den Entwurf ist das Bundesministerium der Justiz. 
 
Hintergrund 
Als Hintergrundinformation ist im Entwurf angeführt, dass die Anzahl der Personen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, in den letzten zwei Jahrzehnten angestiegen ist. Weiterhin gibt es eine Zunahme geschlechtsspezifisch und gegen die sexuelle Orientierung gerichteter Gewalt, die sich nun stärker im Strafzumessungsrecht widerspiegeln soll. Die gewachsenen Zahlen von Personen, die in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind, haben ebenfalls zu einem erhöhten Bedarf an Anpassungen im Maßregelvollzugsrecht geführt. 
 
Kosten 
Für den Bundeshaushalt und für die Länder einschließlich der Gemeinden fallen keine Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand an. Für Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft wird ebenfalls kein Erfüllungsaufwand erwartet. Für die Länder könnte sich der Erfüllungsaufwand der Verwaltung durch die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafen verringern. Es werden Einsparungen im Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafen von geschätzt gut 30 bis 50 Millionen Euro pro Jahr erwartet. Auch die Neuregelungen zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt könnten zu einer Entlastung führen. Einsparungen im Vollzug der Unterbringungen nach § 64 StGB werden auf gut 29 Millionen Euro geschätzt, während Mehrkosten für den Vollzug von Strafhaft auf geschätzt rund 10 Millionen Euro gegenüberstehen könnten. 
 
Inkrafttreten 
Ein konkretes Datum für das Inkrafttreten des Gesetzes wird im Entwurf nicht angegeben. 
 
Sonstiges 
Der Entwurf scheint keine besondere Eilbedürftigkeit aufzuweisen. Es werden auch Maßnahmen zur Evaluierung bestimmter Bereiche vorgeschlagen. Eine Befristung des Gesetzes wird nicht als notwendig erachtet. 
 
Maßnahmen: 
 
Die wesentlichen Maßnahmen des Entwurfs umfassen: 
 
1. Eine Änderung im Strafgesetzbuch (StGB) zur Halbierung des Umrechnungsmaßstabes von Geldstrafe auf Ersatzfreiheitsstrafe von 1:1 auf 2:1. Das bedeutet, dass nunmehr ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tagessätzen Geldstrafe entspricht. 
 
2. Eine sprachliche Anpassung, in der Ersatzfreiheitsstrafe nunmehr einheitlich als solche bezeichnet wird statt als „Freiheitsstrafe“. Damit soll der Ersatzcharakter der Strafe verdeutlicht werden. 
 
3. Die Erläuterung, dass durch die Halbierung des Umrechnungsmaßstabes bei Kombination von Freiheits- und Geldstrafe kein Härteausgleich mehr zu gewähren sein wird, da der Verurteilte schon eine Reduzierung durch weniger Tage der Ersatzfreiheitsstrafe erhalten hat. 
 
4. Anpassungen bezüglich der An- und Umrechnungsregelungen innerhalb des StGB, die bewusst ohne Änderungen bleiben sollen. 
 
5. Eine Neuregelung, nach der geschlechtsspezifische sowie gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Tatmotive explizit in den Strafzumessungsgründen aufgenommen werden. 
 
6. Die Einführung einer so genannten Therapieweisung, die es Gerichten ermöglicht, Verurteilte zu einer psychiatrischen, psycho- oder sozialtherapeutischen Betreuung und Behandlung zu verpflichten. 
 
7. Änderungen in der Strafprozessordnung (StPO), die es erleichtern sollen, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit oder Ratenzahlungen zu vermeiden. 
 
8. Eine Neudefinition der Anforderungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB, um diese stärker auf therapiebedürftige und -willige Täter zu fokussieren. 
 
9. Die Anpassung des Zeitpunkts für eine Strafaussetzung zur Bewährung bei vorzeitiger Haftentlassung an den bei der Strafvollstreckung üblichen Zweidrittelzeitpunkt. 
 
Stellungnahmen: 
 
Stellungnahmen zum Entwurf haben vor allem der Nationale Normenkontrollrat und der Bundesrat abgegeben: 
 
Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) beurteilt den Entwurf im Hinblick auf die Folgekosten und findet keine Beanstandungen. Der NKR hebt hervor, dass keine wesentlichen Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger oder die Wirtschaft erwartet werden und rechnet mit einer jährlichen Entlastung von rund 59 Millionen Euro für die Länderverwaltungen. 
 
Der Bundesrat hat eine Reihe von Anregungen und Bitten zur Überarbeitung verschiedener Inhalte geäußert: 
 
1. Es soll sichergestellt werden, dass therapeutische Maßnahmen im Rahmen von Zurückstellungen der Vollstreckung ermöglicht und die zuständigen Kostenträger dafür klar benannt werden. 
 
2. Es soll geprüft werden, ob eine Zurückstellung der Strafvollstreckung auch für sonstige Suchtmittelabhängigkeiten ermöglicht werden kann. 
 
3. Es wird eine Prüfung empfohlen, deutsche Strafrechtsnormen auf Taten im Ausland auszuweiten, um Verstöße gegen die Istanbul-Konvention auch bei Tätern anzuwenden, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, aber ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. 
 
4. Es soll eine Anpassung der Datenschutzregelungen in der StPO-E vorgenommen werden, um einen Mehraufwand bei der Vollstreckungsbehörde und den nichtöffentlichen Stellen zu vermeiden. 
 
5. Es sollen Änderungen bei § 463d StPO-E ergänzt werden, um die Einbindung der Gerichtshilfe auch nach einer Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zu ermöglichen. 
 
Die Gegenäußerung der Bundesregierung zu den Stellungnahmen fasst die Regierung wie folgt zusammen: 
 
- Die Bundesregierung nimmt die Bedenken des Bundesrats zur Finanzierung therapeutischer Maßnahmen im Rahmen des § 35 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zur Kenntnis und wird eine angemessene Lösung prüfen. 
 
- Die Ausdehnung der §§ 35 ff. BtMG auf weitere Abhängigkeiten wird geprüft, aber die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit für eine solche Änderung, da andere gesetzliche Optionen bereits existieren. 
 
- Die Bundesregierung stimmt den Empfehlungen des Bundesrats zur Anpassung von § 5 StGB grundsätzlich zu und will die Ausweitung des deutschen Strafrechts auf im Ausland begangene Delikte gegen Frauen und Mädchen prüfen. 
 
- In Bezug auf den Vorschlag zur Anpassung der Datenschutzregelungen in der StPO legt die Bundesregierung eine alternative Formulierung vor, die den Mehraufwand und datenschutzrechtliche Bedenken mindern soll. 
 
- Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit für eine explizite Regelung bezüglich des Einsatzes der Gerichtshilfe nach Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, da die vom Gesetzentwurf vorgeschlagene Formulierung ausreichend Flexibilität bietet.

Informationen aus dem Ministerium
Datum erster Entwurf:
Datum Kabinettsbeschluss:
Weiterführende Informationen:Vorhabenseite des Ministeriums
Beratungsverlauf im Bundestag
Eingang im Bundestag:05.03.2023
Erste Beratung:15.03.2023
Abstimmung:22.06.2023
Drucksache:20/5913 (PDF-Download)
Beschlussempfehlung:20/7026 (PDF-Download)
Plenarsitzungen:Aufzeichnungen und Dokumente
Anhörung der Sachverständigen

Diese Zusammenfassung wurde mit GPT4 auf Basis des Artikels auf bundestag.de erstellt.

Die Anhörung fand am 17.04.2023 im Ausschuss für Recht statt.

Die Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages fand bereits statt und behandelte geplante Änderungen im Sanktionsrecht, einschließlich der Ersatzfreiheitsstrafen (EFS), des Maßregelvollzugs sowie der Strafzumessungsgründe. 
 
Lea Babucke, Rechtswissenschaftlerin von der Universität Hamburg und von der FDP-Fraktion vorgeschlagen, befürwortete die Halbierung des Umrechnungsmaßstabes der EFS, argumentiert aber gegen eine komplette Streichung, da sie als Druckmittel beibehalten werden sollte. 
 
Angelika Allgayer, Richterin am Bundesgerichtshof und von der CDU/CSU-Fraktion vorgeschlagen, sprach sich ebenfalls für Maßnahmen aus, die den Vollzug von EFS verhindern, bewertete die geplanten Änderungen beim Maßregelvollzug als bedeutsam und kritisierte die geplante Ausweitung der Strafzumessungsgründe als symbolhafte Politik. 
 
Jenny Lederer, vom Deutschen Anwaltverein, forderte als von der SPD vorgeschlagene Sachverständige einen mutigeren Umgang mit der Reform der EFS, indem Zahlungsunfähigkeit von Unwilligkeit unterschieden und auf den Vollzug verzichtet wird, und eine Anhörung vor Vollzug. Sie kritisierte auch die geplanten Änderungen zum Maßregelvollzug als nicht weitgehend genug. 
 
Helmut Pollähne, Rechtsanwalt und von der Fraktion Die Linke vorgeschlagen, sprach sich deutlich gegen die geplanten Änderungen aus und kritisierte sie als halbherzig, die das Problem der Bestrafung der Armut nicht lösten. 
 
Nicole Bögelein, Soziologin vom Institut für Kriminologie der Universität zu Köln, von der SPD als Sachverständige eingeladen, plädierte dafür, die EFS wie in Schweden für Zahlungsunfähige zu erlassen oder ganz abzuschaffen, und erklärte, dass Versuche, die EFS zu verhindern, bisher nicht erfolgreich waren. 
 
Peter Brieger, stellvertretender Vorsitzender der Aktion Psychisch Kranke e.V. und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen, unterstützte die Notwendigkeit der Reform des Maßregelvollzugs und wies auf unzureichende Behandlungsplätze hin, äußerte sich aber unsicher, ob die geplanten Maßnahmen ausreichend seien. 
 
Hans Kudlich, Rechtswissenschaftler von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und von der CDU/CSU-Fraktion als Sachverständiger berufen, wendete sich gegen die Erweiterung der Strafzumessungsgründe, mit dem Argument, dass geschlechterspezifische oder gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Motive auch ohne die Erweiterung adäquat berücksichtigt werden könnten. 
 
Die Diskussion umfasste auch die Ausweitung von Weisungen und Auflagen im Rahmen von Bewährungsaussetzungen, welche mehrheitlich positiv aufgenommen wurde, mit dem Hinweis auf eine unzureichende Verfügbarkeit von Behandlungsplätzen durch Brieger. 
 
Die vollständigen Stellungnahmen der Sachverständigen und das Video der Anhörung sind auf der Webseite des Bundestages verfügbar.

Beschlussempfehlung
Zusammenfassung der Beschlussempfehlung

Diese Zusammenfassung wurde mit GPT4 auf Basis des Textes des Beschlussempfehlung erstellt.

Beratungsverlauf: Die Beschlussempfehlung wurde vom Rechtsausschuss (6. Ausschuss) beschlossen. Mitberatende Ausschüsse waren der Ausschuss für Inneres und Heimat, der Haushaltsausschuss, der Ausschuss für Gesundheit, der Ausschuss für Arbeit und Soziales und der Verkehrsausschuss. Zudem befasste sich der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung mit der Vorlage. 
 
Beschlussempfehlung: Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses lautet, den Gesetzentwurf der Bundesregierung in geänderter Fassung anzunehmen. Zustimmende Fraktionen waren SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, während die AfD-Fraktion dagegen stimmte. Die Fraktionen CDU/CSU und DIE LINKE enthielten sich. 
 
Anhörung: Eine öffentliche Anhörung fand statt. Geladene Sachverständige waren Dr. Angelika Allgayer, Dr. Lea Babucke, Dr. phil. Nicole Bögelein, Prof. Dr. Peter Brieger, Prof. Dr. Hans Kudlich, Dr. Jenny Lederer, Thomas Mönig, Mitali Nagrecha, Prof. Dr. habil. Helmut Pollähne und Arne Semsrott. 
 
Änderungen: Änderungen wurden in den Gesetzentwurf eingefügt. Die Änderungen bezogen sich unter anderem darauf, die obergerichtliche Rechtsprechung bezüglich der Berechnung der Tagessatzhöhe zu kodifizieren und klarzustellen, dass die Gerichtshilfe im Regelfall bei der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe einbezogen wird. 
 
Begründung: Der Ausschuss hält die obergerichtliche Rechtspraxis für sachgerecht, die bei Personen mit Einkommen nahe dem Existenzminimum eine Abweichung vom Nettoeinkommensprinzip vorsieht. Des Weiteren sollte der Einsatz der Gerichtshilfe als Regelfall dienen, um etwaige Ersatzfreiheitsstrafen möglicherweise vermeiden zu können. 
 
Statements der Fraktionen: Die Fraktion der SPD sprach sich für den Gesetzentwurf aus, die CDU/CSU erkannte gute Ansätze, kritisierte aber bestehende Punkte. Die FDP begrüßte insbesondere die Reform der Ersatzfreiheitsstrafe, während DIE LINKE den Gesetzentwurf als Schritt in die richtige Richtung ansah, aber weitergehende Änderungen forderte. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN äußerten sich ebenfalls positiv zu den geplanten Änderungen. 
 
Sonstiges: Es gibt Hinweise auf eine gezielte Entkriminalisierung von Delikten, die häufig zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe führen, insbesondere bei der Beförderungserschleichung. Zudem sollte das Strafbefehlsverfahren dahingehend überprüft werden, dass es nicht automatisch zu einer Ersatzfreiheitsstrafe führt.

Beratungsverlauf im Bundesrat
Gesetztyp:Einspruchsgesetz
Drucksache:687/22
Eingang im Bundesrat:30.12.2022
Erster Durchgang:10.02.2023
Abstimmung:07.07.2023
Beschluss des Bundesrats:Zugestimmt